Was das richtige Mindset und eine Alpenüberquerung miteinander zu tun haben…

16/06/2022

Ich sitze gerade gemütlich in der Sonne auf der Terrasse meines Hotels in Tirol und reflektiere die Eindrücke der letzen 6 Tage. Am Montag bin ich mit einer, mir nur online bekannten Frau, in Oberstdorf zu einer Alpenüberquerung aufgebrochen. Ohne zu wissen, was mich wirklich erwartet. Ich hab zuvor schon davon gehört und dachte mir, das hört sich spannend an, das will ich machen. Vorbereitet hab ich nix- die Grobplanung hat die Mitwanderin (MW) erstellt. Ich hab nur gepackt- nach Packliste, die ich von meiner Cousine bekommen hab und dachte echt, was soll ich bitte im Juni mit Mütze und Handschuhen… das sollte sich im Verlauf der Reise allerdings als sehr nützlich heraus stellen.

Packung

Ich hab sehr spartanisch gepackt, weil ich von meiner 99 km an zwei Tagen Tour wusste, dass sich irgendwann jedes Gramm bemerkbar macht.

ich hatte zwei Tshirts, eine kurze Hose, eine Leggings, 3 Slips, 2 paar Socken, ein Sport Top (alles aus Merino), ein Longsleeve, Regenjacke- und Hose, eine Fleecejacke, ein mini Handtuch, ein Kleid für Meran, paar Riegel und vegane Würste, Magnesium, nen Mini Verbandskasten, FlipFlops und leichte Wanderstecken dabei. Getragen habe ich eine Zip- Wanderhose, Socken, Shirt.

Tag EINS – der Unfall

Wir liefen mit leichter Verspätung in Spielmannsau bei Oberstdorf los. Mit dabei hatten wir noch zwei Hunde, die direkt zu Anfang von Kühen verfolgt wurden. Ich mag ja eigentlich Kühe, also in Indien und auch in den Alpen hatte ich immer gute Erfahrungen, nur in Zanzibar ist eine Kuh auf mich losgegangen, die ich zum Glück mit einem Augenpiecks abwehren konnte..

Mit einem etwas mulmigen Gefühl durch die Kuhherde ging es mäßig bergauf. Eine schöne, nicht allzu anstrengende Tour. Meine Begleitung hatte leider bissl viel Gepäck dabei, da ja die Hunde auch fressen mussten auf der Wanderung.

Wir erreichten, unter Murmeltier Pfiffen die erste Hütte, wo wir uns erstmal gestärkt haben.

Nach einem steilen Anstieg und einem Marsch durch Schnee kamen wir an ein steiles Stück mit Geröll. Ich lief ein ganzes Stück voran als ich es hinter mir plötzlich rumpeln hörte. Meine Begleitung war fies den Hang runter gestürzt. Schnell bin ich nach oben zu ihr. Die Lippe war komplett aufgeplatzt, die Schläfe blutig und etliche blaue Flecken und Kratzer. Nach kurzer Verarztung hat sie sich aufgerappelt zum weiter gehen. Ich hab die Rucksäcke das steile Stück getragen. Ein anderer Wanderer , den wir trafen hat dann einen Jeep organisiert der uns die letzten Meter ins Tal brachte.

Von da aus ging’s erstmal mit ihrer Mutter ins Krankenhaus nach Füssen. Nichts gebrochen, nur die Lippe wurde mit 10 Stichen genäht.

Die Nacht verbrachte sie bei ihrer Mutter und ich hab spontan eine Pension bekommen. Das war so: An diesem Haus stand Pension, also habe ich auf gut Glück um 21:12 Uhr dort geklingelt. Die ältere Dame teilte mir mit, dass sie eigentlich seit 2 Jahren nicht mehr vermietet. Sie werde aber eine Ausnahme machen. Also hatte ich ein Zimmer für die Nacht, sonst hätte ich wohl im Auto schlafen müssen.

Nach einer kurzen Nacht bin ich nach meiner Breathwork und Yoga Session zum Bäcker gewackelt um Frühstück für die Mitwanderin, ihre Mama und mich zu besorgen.

Tag ZWEI – Unverhofft kommt oft

Nach einem leckeren Frühstück und einer längeren Umpacksession von der MW, die beschlossen hatte weiter zu machen, ging es gegen Mittag (was viel zu spät war, wie sich nachher rausstellte) wieder zurück nach Holzgau. Unserem Endpunkt des letzten Tages.

Sie wollte unbedingt noch die längste Hängebrücke Österreichs sehen. Das war schon ein besonderes Erlebnis und sicher nix für Menschen mit Höhenangst.

Nach dieser kurzen Tour sollte es mit dem Bus weiter gehen nach Pettneu am Arlberg. Weit gekommen sind wir allerdings nicht. Der Bus hat uns dann erstmal nach Warth gebracht. Und hier war dann auch Endstation. Denn in der Vorsaison fahren die Busse nicht so lang. Es war 16:30 Uhr und glücklicherweise hatte die Touristeninformation noch geöffnet um uns ein Taxi zu besoregn, welches auch nur bis 17 Uhr erreichbar war. 70€ ärmer sind wir 45 Minuten später in Pettneu angekommen in voller Vorfreude auf ein lecker, warmes Abendessen.

Was glaubst du? Gabs das an diesem Abend noch für uns?

Nope..alle Restaurants waren noch geschlossen oder hatten Ruhtag. Nur der kleine Supermarkt war geöffnet, also gab es für mich zum drietten Mal an diesem Tag ne Käsesemmel (liebe veganer, nehmt euch genug essen mit auf eure Tour, so weit verbreitet scheint diese Ernährungsform in den Alpen noch nicht zu sein)

Die Nacht verbrachte ich in einem MiniEinzelzimmer mit geteiltem Bad. Trotzdem war auf diesem 50 cm breiten Raum zwischen Bett und Wand noch genug Platz für meine morgendliche Yoga Session (in abgeschwächter Form) .

Tag DREI – BEEERG AUF und außer Puste

Das Frühstück war echt mega lecker und trug uns energetisiert um 7:40 Uhr außer Haus zur Bushaltestelle von wo aus es erstmal nach Landeck-Zams ging. Dort angekommen und fehlinformiert vom Busfahrer stiegen wir ein bissl zu früh aus und sind dann zum Bahnhof gelaufen um mit dem Zug weiter nach ..-hab den Namen vergessen und von da aus dann mit dem Bus nach Mittelberg (glaub ich, mein Namensgedächtnis ist nicht wirklich gut ), wo wir um 11 Uhr ankamen.

Von hier aus sollte das schwerste Stück der Tour folgen. Der Weg führte erst recht gemütlich an einem Wasserfall vorbei an dem wir ein kurzes Picknick einlegten.  Das war auch gut so, denn unsere Kraftreserven wurden für den weiteren Anstieg benötigt. Es ging recht Steil aufwärts. Das war dann eher schon Bergsteigen als Wandern. Teilweise waren Stahlseile im Fels befestigt an denen man sich festhalten musste um überhaupt sicher weiter zu kommen. Die Wege waren mitunter sehr schmal und rechts von mir ging es steil den Abhang hinunter. Manchmal hat mir doch dieses Plappermaul in meinem Kopf erzählt es sei gefährlich und hoch hier zu laufen und das sichere Ende, wenn ich nach unten stürze.

Gut, dass ich mittlerweile weiß, dass Gedanken nie die Wahrheit sind und ich darüber bestimmen kann was ich denken will. Also habe ich mit Suggestionen gearbeitet und mir selbst gesagt: Ich bin Sicher, das Leben ist immer für mich, ich habe einen Auftrag auf dieser Welt und werde gebraucht, und siehe da- die negativen Horror Gedanken waren verschwunden. Angst lähmt u know… Konzentration und Mindset, ist das was du brauchst

Auch gegen Ende dieser Etappe, wo es schon ein bissl anstrengend wurde habe ich mir gesagt: mit jedem Schritt, den ich gehe bekommt mein Körper neue Energie und Kraft. It worked…

Weißt du, es hätte keine andere Option gegeben als weiter zu gehen. Auch wenn es anstrengend ist, habe ich die Wahl darüber zu jammern und es mir dadurch noch schwerer zu machen (selbsterfüllende Prophezeiung) oder es einfach anzunehmen und mit guten Gedanken und in Freude weiter zu laufen.

Hab ich schon erwähnt, dass es da noch kurze Hose und T-Shirt Wetter war?!

Oben angekommen gabs erstamal was zu essen und zu trinken. Die Sonne wärmte uns obwohl rings um noch Schnee lag.

Als wir dann endlich im Bett waren (es war sooo kalt in der Braunschweiger Hütte, dass wir alles angezogen haben, was der Rucksack zu bieten hatte) bemerkte ich, dass es angefangen hat zu schneien- im Juni- wo wir vorher noch mit T-Shirt saßen bildete sich bereits eine zarte Schneeschicht….

Tag VIER – Schneesturm

Als ich nach einer kalten Nacht die Fensterläden öffnete, traute ich meinen Augen kaum. Es schneite immer noch. Die Sicht bertug vielleicht 5 Meter und auf den Biertischen und Bänken hatte sich eine 20 cm hohe Neuschneeschicht gebildet.

Unter diesen Umständen konnten wir auf keinen Fall weiter gehen. Es waren weder Weg-Markierungen noch Felsen bzw. Steine erkennbar.

Wir entschieden uns erstmal in Ruhe zu frühstücken. Die Braunschweiger Hütte hat echt leckeres Essen – sogar vegane Alternativen, was in den Alpen scheinbar noch ein bissl die Ausnahme ist.  Also liebe Veganer, packt euch lieber genug zu essen ein…

In der Hütte war eine größere Gruppe zu Gast mit eigenem Bergführer. Dieser bot uns an (und auch den anderen 10 Menschen die ebenfalls dort übernachtet hatten), dass wir uns der Gruppe anschließen konnten. Das taten wir nur zu gern und starteten um 8:30 Uhr im Entenmarsch Richtung Sölden. Für mich war das ganze ga net so anstrengend, da ich den Luxus hatte recht weit hinten zu laufen und der Schnee dann schon ein bissl von den Vorgängern geplättet war. Der Schnee blies teilweise heftig in unsere Gesichter. An diesem Tag war ich sehr froh die Handschuhe und das Stirnband dabei zu haben. Ansonsten trug ich ein Tshirt, Longsleeve, Fleece – und Regenjacke, eine Leggings und die Regenhose darüber. Mir war überhaupt nicht kalt. Dennoch war ich erleichtert bei der Gondel anzukommen, die leider nicht lief. Also ging es für uns über die Skipiste weiter. Auch hier stand ich teilweise bis zur Hüfte im Schnee, weil ich  einfach versunken bin. Die ein oder der andere ist sogar einfach aufm Hintern nach unten gerutscht zur Schwarzen Schneide, der Talstation. Hier wartete bereits ein Bus der uns nach Vent bringen sollte. Eigentlich hatten wir geplant den Venter Höhenweg zu laufen, was auf Grund der Wetterlage nicht möglich war.

Der Bus brachte uns und noch vier weitere Menschen in unsere Pension. Die beiden Jungs liefen weiter zur Martin-Busch-Hütte, die bis dato noch nicht auf meinem Plan stand.

In der Pension erfuhr ich dann von der Wirtin, dass die Route, die wir am nächsten Tag gegangen wären zu weit sei. Die MW beschloss dann, da ihre Mama nach Sölden kam um neues Hundefutter zu bringen und weiter mit nach Meran zu kommen, sich am nächsten Tag fahren zu lassen.

Das kam für mich nicht in Frage und ich bin dann allein weiter gegangen bis zur besagten Hütte, in der Hoffnung die beiden Jungs zu treffen und mich ihnen am nächsten Tag für die letzte Etappe anzuschließen. Auf dem 2 stündigen, recht gut zu laufendem Weg traf ich auch noch ein Paar, die in der Früh mit durch den Schneesturm gelaufen sind.

Dort angekommen bekam ich ein Bett im Matratzenlager und siehe da…die beiden Jungs teilten sich dieses mit mir. Ich hab mich mega gefreut sie zu sehen und sie auch mich, denn sie hatten kein Bargeld mehr und dieses braucht man echt dringend, da Kartenzahlung so gut wie nie möglich war. Also hab ich ihnen bares gegeben und ihnen das Versprechen abgenommen, mich am nächsten Tag mitzunehmen. Also WIN-Win für beide.

Tag FÜNF – auf nach Italien

Am nächsten Morgen ging es um 6:30 Uhr bereits zum Frühstücken. Beim Blick aus dem Fenster war allerdings schnell klar,dass ein frühes loslaufen keinen Sinn macht. Es war sehr trüb, kalt und wieder hatte es leicht geschneit.

Das junge Paar vom Vortag schloss sich uns dann beim Abmarsch zwei Stunden später an und so liefen wir zu fünft los Richtung Similaun- Hütte, dem höchsten Punkt der Alpenüberquerung und dem Übergang nach Südtirol.

Der Weg ist unten wunderschön und erinnert ein bissl an Island. Viele kleine Schmelzwasserbächlein kamen uns durch die Steine entgegen und machten den Weg zu einem Naturschauspiel.

Zwischendrin mussten wir immer wieder Schneefelder durchqueren und auch hier war es so, dass ich teilweise bis zur Hüfte versank und Schwierigkeiten hatte wieder heraus zu kommen. Doch die anstrengung lohnte sich. Wir wurden von der Similaun Hütte auf 3019m mit blauem Himmel empfangen. Was für ein grandioser Anblick. Noch nie habe ich eine Wettergrenze so krass wahrgenommen. Auf der einen Seite Kälte, Eis und Schnee du auf der anderen Seite sattes Grün, blauer Himmel und Sonnenschein.

Nach einem etwas aufregendem Abstieg über vereiste und matschige Felsen und geröll machten wir Pause am Fluss un futterten gefühlt alles was noch in unseren Rucksäcken zu finden war. Mir wars echt ein bissl schlecht beim weiter laufen…

Der weitere Abstieg war der Hammer. Begleitet von Kuhglocken Gebimmel und Jasmin Duft, angestrahlt durch die Sonne ( es war wieder kurze Hose und Shorts angesagt)und angetrieben von Murmeltierpfiffen liefen wir entlang eines Flusses Richtung Vernagt Stausee. Wir machten kurz Pause in einer Hütte mit Blick auf den See und erfuhren die traurige Gescichte dessen.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde beschlossen, dass Südtirol nicht mehr zu Österreich sondern zu Italien gehört. Und die Italiener wollten unbedingt nen Stausee. Dort wo dieser See heute liegt, war damals ncoh ein Dorf, welches still und heimlich geflutet wurde. Die Bewohner hatten grad noch Zeit das Wichtigste zu retten. Wenn der Wasserstand niedrig ist, spitzt die Kirchturmspitze des ehemaligen Dorfes aus dem See…

Nach dieser historisch geladenen Erfrischung ging es weiter zum See, wo sich unsere Wege trenten. Jan und Tom liefen ins nächste Dorf um mit dem Bus nach Meran zu fahren. Simon und Marita fuhren mit dem Bus nach Naturns und iich wartete auf meine MW ihre Mom und die Hunde.

Gegen 16 Uhr trafen wir uns wieder und fuhren anschließend gemeinsam nach Dorf Tirol, oberhalb von Meran, wo wir die näcsten 2 Nächte verbrachten.

Meran ist richtig schön und auf jeden Fall die Reise wert…

Wie geht es mir nun…seit 2 Tagen zurück im real life…

Wenn ich ganz ehrlich bin ist mir dieses Leben hier zu viel. Ständig etwas machen zu müssen, Menschen, die aus einer Mücke einen Elefanten machen und doch tatsächlich die Energie haben sich über jeden kleinen Bullshit aufzuregen. Da sprech ich lieber mit Steinen…

Versteh mich nicht falsch. Ich mag mein Leben- sehr sogar- und ich bin dankbar solche Erfahrungen machen zu dürfen und nicht in einem festen Arbeitsverhältnis gefangen zu sein. Und ich habe so sehr gespürt, dass da noch mehr geth. Dass das Leben noch mehr zu bieten hat, mehr als ich mir grad vorstellen kann.

Its all about: Freiheit- ich brauch nicht viel um glücklich zu sein.. und das ist eine sehr erleichternde Erkenntnis.

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